«Bei der Zugabe kamen mir die Tränen»
Letzte Woche begann für 566 Probe-Abonnent*innen die Saison in der Tonhalle Zürich. Wir haben drei von ihnen befragt.
Marcus Wunsch, Dozent an der ZHAW
«Bis vor kurzem war ich im klubZ und habe dort schöne Erfahrungen gesammelt. Da ich nun zu alt für eine Mitgliedschaft bin, habe ich mich nach anderen Angeboten umgeschaut und bin so auf das Probe-Abo gestossen. Ehrlich gesagt habe ich mich weniger von der Programmauswahl leiten lassen als vom Preis.
Meine Erwartungen wurden mit dem ersten Konzert übertroffen. Es war ein bewegendes und mitreissendes Programm mit Hilary Hahn im Zentrum. Während Sergej Prokofjews 5. Sinfonie war die Spannung im Publikum deutlich zu spüren.
Ich bin derzeit als Dozent am Institut für Wealth & Asset Management an der ZHAW tätig und habe ein Doktorat in angewandter Mathematik. Die Musik nahm schon immer einen wichtigen Teil in meinem Leben ein. Ich war als Kind Mitglied bei den Sängerknaben vom Wienerwald. Mit diesem Chor traten wir u.a. in Japan und Deutschland auf. Als Kind und Jugendlicher lernte ich zudem Klavier und Geige; an der Musik und Kunst Privatuniversität Wien studierte ich später mehrere Semester Bratsche. Heutzutage spiele ich noch immer sehr gerne und oft Klavier.
Was sich für mich in den Konzerten mit Paavo Järvi immer wieder aufs Neue bestätigt, ist seine grosse Meisterschaft für nordische und russische Musik. Im April erlebte ich mit ihm und dem Tonhalle-Orchester Zürich die Aufführung von Sibelius’ 2. Sinfonie. Ich hörte das Werk erstmalig und noch dazu live in der Tonhalle – das Konzert hat mich tief beeindruckt – ebenso wie meine Schwester und Freunde, die auf meine Einladung mitgekommen waren.
Ich fände es schön, wenn Dirigentinnen öfter auf dem Pult zu erleben wären, wie beispielsweise Joana Mallwitz, die bei den Salzburger Festspielen 2021 «Così fan tutte» und «Die Zauberflöte» dirigiert hat.»
(aufgezeichnet von Katharine Jackson)
Martina Seltmann, Marketing-Verantwortliche
«Es war kurz vor der Sommerpause, als ich am Rande eines Konzertbesuchs mit einer ehemaligen Arbeitskollegin geplaudert habe, die jetzt für die Tonhalle-Gesellschaft arbeitet. Beschwingt von der Musik und begeistert von den Programmen der neuen Saison beschloss ich, nun auch zu den Abonnentinnen gehören zu wollen. Beruflich bin ich im Marketing einer Bank in Zürich tätig und wohne mit meinem Partner in Winterthur. Es ist überall ständig viel los. Trotzdem habe ich mir fest vorgenommen, nun mehr Zeit für kulturelle Erlebnisse einzuplanen, Museumsbesuche beispielsweise, oder eben regelmässige Konzertbesuche.
Auf Sibelius' Violinkonzert habe ich mich sehr gefreut, aber nun ist mir leider ein Eingriff an meinem Fuss dazwischengekommen. Ich selbst werde mir im November dann Bruckner anhören, bis dahin bin ich wieder gut zu Fuss unterwegs. Und wer weiss, vielleicht gebe ich inzwischen meinem E-Piano doch eine zweite Chance und finde die Musse, zuhause in die Welt der Musik einzutauchen.»
(aufgezeichnet von Melanie Kollbrunner)
Martin Schlumpf, Komponist
«Eigentlich gehe ich sehr selten in Konzerte, und klassische Musik hat für mich als Zuhörer früher nie eine grosse Rolle gespielt. Zwar hatte ich als Professor für Musiktheorie an der ZHdK viel mit klassischen Werken zu tun; und meine Karriere als Komponist habe ich einst in der Tonhalle begonnen: 1975 gewann ich hier einen Kompositionswettbewerb mit meinen ‹5 Stücken für grosses Orchester›, auch zwei weitere Werke wurden hier uraufgeführt. Aber später habe ich viel improvisiert, als Klarinettist bin ich eher im Jazz zu Hause.
In den letzten Jahren habe ich nun aber angefangen, wieder regelmässig Klavier zu spielen. Seither wurde das klassische Repertoire immer wichtiger für mich. Und dann flatterte dieses Angebot für ein Probe-Abo ins Haus, das haben wir dann spontan gebucht.
Das erste Konzert fand ich nun wirklich ganz toll. Ein spannendes Programm, hervorragend gespielt. Es war mein erstes Konzert mit Paavo Järvi, und es gefällt mir sehr, wie er dirigiert: Diese Klarheit in der Gestik, ganz ohne aufgesetzte Theatralik. Ich hatte auch den Eindruck, dass es ein sehr schönes Verhältnis gibt zwischen ihm und dem Tonhalle-Orchester.
Und die Geigerin Hilary Hahn war unglaublich gut. Die ersten beiden Sätze des Sibelius-Konzerts, das ist sozusagen naturhaft wuchernde Musik – mit interessantem Material, mit ganz eigenen Klängen. Sehr tief, sehr empfindungsvoll. Der letzte Satz war für meinen Geschmack dann zu effekthascherisch, wobei diese Kritik dem Werk gilt, nicht der Interpretation. Und dann die Bach-Zugaben, diese Rückkehr in eine ganz verinnerlichte Welt: Da sind mir die Tränen gekommen.
Im Vorfeld des Konzerts hatte ich mir das Sibelius-Konzert übrigens auf Youtube angehört, mit Janine Jansen. Und lustig, sie spielte genau dieselbe Zugabe – ob das wohl üblich ist? Jedenfalls hat es gut gepasst.
Auch die Prokofjew-Sinfonie danach hat für mich gestimmt vom Programmkonzept her. Sie war ganz anders als der Sibelius, sehr rhythmisch und formal gefasster; aber es war ein überzeugender Kontrast. Einzig eine Pause zwischen den Werken hätte ich mir gewünscht… Aber sonst? Es war wirklich eine Freude, diesem Orchester zuzuhören und zuzuschauen. Ich freue mich aufs nächste Konzert.»
(aufgezeichnet von Susanne Kübler)